Bürokratie

Bei jedem Kultfilm taucht nach einer Weile noch der "Director‘s Cut" auf. Das ist meist eine Hommage des Regisseurs an seine eigene Genialität, welche durch die profanen Auflagen des Produzenten verwischt, verwässert, verhunzt oder sonst wie verhindert wurde.

In der Regel sind die Director‘s Cuts durchaus sehenswerte Filme, gelegentlich etwas lang, aber von einer meist unzweifelhaft authentischeren Stimmung als die Kinoversionen, die eher dem breiten Geschmack angepasst und zeitgerecht zurechtgefönt wurden.

Nun stellen Sie sich vor: Auch von der Herzroute gibt es einen Director‘s Cut. Natürlich ist die offiziell ausgeschilderte Version der Route bereits schon sehr gut. Sie stammt ja auch von uns. Da und dort aber haben sich leichte Zensuren von nicht genannt werden wollenden Organen eingeschlichen, sodass wir dem puristisch veranlagten Genussvelöler nicht verheimlichen wollen, dass es an ausgewählten Punkten eben doch kleine Zusatzabschnitte gäbe, welche die bereits bestehende Route um überaus reizvolle Nuancen erweitern würden. So dürfen wir hinter vorgehaltener Hand sagen, dass Herisau nicht ganz so hässlich ist, wie es scheint, indem man die offizielle Routenführung verlässt und sich ins wunderbare barocke Ortsbild vorwagt. Testen Sie einmal die Oberdorfstrasse oder die Bachstrasse aus; Sie werden verblüfft sein. Oder wussten Sie, dass die Zuger über einen geheimen Berg verfügen, den sie aber nur für sich behalten wollen? Allen Fremden teilen sie bedauernd mit, dass ebendieser Berg keine weitere Belastung mehr erträgt, –auch nicht durch E-Bikes,- da er schon übermässig durch einheimische Autos und darin sitzende Erholungssuchende frequentiert wird.

Da wir von der Herzroute über tadellose diplomatische Gepflogenheiten verfügen, würden wir nie wagen, solche Verdikte in Zweifel zu ziehen oder gar anzufechten. –Da und dort fragt man vielleicht unschuldig nach, ob man sich verhört hat oder eine Verwechslung vorliege. Das ist bei diesen Stellen allerdings selten.

So bleibt denn nur der Hinweis auf die ursprüngliche künstlerische Intention und das sehnsüchtige Besingen dahingegangener Streckenabschnitte, welche wir so gerne zu einem Farbtupfer im Gemälde unserer nationalen Velo-Elegie gemacht hätten. Um nicht als verbale Angeber und Pedalverdreher dazustehen, haben wir uns Folgendes überlegt: Wer die unverdünnte Herzroute fahren will, kann das tun. Wir bieten auf unserer Homepage die GPS-Tracks der unzensierten Route an, den Director‘s Cut eben. Diesen lädt man sich ins iPhone oder Velo-Navi und biegt da und dort unauffällig von der Strecke ab, um sich ein paar Minuten oder Stunden später mit einem breiten Grinsen wieder auf derselben einzufinden.