Grüezi Romandie

Irgendwo hinter dem nächsten Busch muss sie sein, die Sprachgrenze. Noch deutet nichts darauf hin. Die Brise lüftet unauffällig von links. Die Kette wiederholt leise ihr Mantra des reibenden Ritzels. Am Lenker tänzelt eine Schwebefliege. Kann sie mir sagen, ob man hier schon Französisch spricht?

Es folgt eine weitere Abzweigung. Unauffällig blinzelt die weisse 99 auf blauem Grund. Doch da! Ein unscheinbarer Nebensatz: La Suisse à Vélo! La Route du Coeur! Wir sind da! Wir haben die Grenze überwunden! Unglaublich.

Meine Mitreisenden scheinen befremdet ob so viel geografischen Scharfsinns. Welcher Busch war es genau, fragen sie schmunzelnd. Ich gestikuliere und versuche sie mental an die Stelle zurückzuführen, merke aber, dass für sie alle Büsche gleich aussahen, ob deutsch oder welsch. Ich gebe es auf. Wie kann man nur so etwas Bedeutendes wie die Sprachgrenze ignorieren? Noch dazu auf dem Velo, wo man alles doppelt, ja dreimal so gut wahrnimmt.

Innerlich rezitiere ich schon erste Floskeln auf Französisch, um in der nächsten Gartenwirtschaft stotterfrei ein Rivella bestellen zu können. Ist Rivella männlich oder weiblich? Ist es "la Rivella" oder "le Rivella"? Ich bin verunsichert. Ich könnte ein Mineralwasser nehmen. Oder einen Apfelsaft. Sicher bin ich mir eigentlich nur bei „une pression“. Aber Bier zu der Tageszeit? Das ist gewagt. -Immer diese Probleme beim Eintritt in andere Kulturen. Vielleicht hätten wir doch eine Etappe in der Deutschschweiz wählen sollen.