Zu breit
Die Vorteile des Velos werden allenorten besungen: elegant, schnell, ökologisch und energiesparend sei es, quasi ein Segen für die Menschheit, ein Durchbruch in der gemeinhin belastend empfundenen Mobilitätsmisere. Dass diese Einschätzung möglicherweise eine ideologisch überhöhte Wunschvorstellung der Städter ist, erklärte uns jüngst der Präsident einer Landgemeinde im nahen Bernbiet.
Er verbat sich jede Befahrung der Gemeindestrassen mit radwandernden Velos, da diese nur Kummer und Sorgen mit sich brächten, notabene in einer Gegend, wo noch alles in Ordnung ist. Erstaunt ob so viel Ablehnung zogen wir uns mit seinen Argumenten ins Büro zurück und mussten erkennen: Er hat möglicherweise recht. Seine Hauptkritik kann wie folgt zusammengefasst werden:
- Zu breit. Das Velo ist schlicht zu breit. Ein Kreuzen mit modernen landwirtschaftlichen Fahrzeugen ist nicht mehr möglich.
- Zu schwer. Velos weichen beim Kreuzen oft auf den Grünstreifen oder das Ackerland aus, was bekannte Schäden hinterlässt durch Fuss- und Reifeneindrücke.
- Zu leise. Velos hört man nicht, was sie zu einer Gefahr für Mensch und Tier macht. Traktoren und Subarus haben ein angenehm sonores Geräusch, welches ihr Nahen ankündigt.
- Zu gefährlich. Velos verursachen heikle Situationen, gerade in Hofausfahrten. Hier, wo der Bauer mit schwerem Gerät manövrieren muss, sieht er die Velos oft nicht kommen. Ein Unfall ist schnell passiert und der Bauer, wie wir wissen, immer der Schuldige.
- Zu schnell. Velos fahren gerne mit übersetzten Geschwindigkeiten, kennen kein Mass und finden dies sogar noch lustig. Einen Tacho haben sie sowieso nicht und schauen ihn auch nicht an.
- Zu aggressiv. Velos kennen kein Pardon, wenn es um das Erschrecken von Wandernden geht. Sie verkehren auf kleinen Strassen und nehmen keine Rücksicht auf andere. Darum werden die Reifen auch immer breiter.
- Zu dreckig. Velos hinterlassen den bekannten Müll entlang der Strassen, den der Bauer dann zusammenlesen muss. Bier- und RedBull-Dosen sind klar ein Ausdruck von Geringschätzung der Landbevölkerung. Warum sollte man so etwas noch fördern?
Aus all diesen Gründen kam es für den besagten Gemeindepräsidenten nicht in Frage, die Velos über sein Gemeindegebiet fahren zu lassen. Die geplante Herzschlaufe musste nach mehreren Verhandlungsrunden verlegt werden. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden.
Wir von der Herzroute haben inzwischen eine wissenschaftliche Anfrage ans Bundesamt für Verkehr gestellt, um obige Vorwürfe sachlich zu klären. Es kann ja nicht sein, dass wir weiterhin eine Mobilitätsform anpreisen, welche der leidgeprüften Landbevölkerung das Leben zusätzlich schwer macht.